Abschied

Am Montag habe ich die Schlüssel zu meiner Wohnung abgegeben. Nach 23 Jahren. Morgen werde ich mich offiziell in meiner neuen Stadt anmelden. Dann bin ich nach 37 Jahren keine Hamburger Bürgerin mehr. Das fühlt sich seltsam an, unwirklich irgendwie. Ich dachte oft, ich würde in dieser Wohnung alt werden und sterben. Weg aus der Großstadt wollte ich erst recht nicht. Doch das Leben steckt voller Überraschungen und es kam eins zum anderen – die Liebe, das zunehmend unangenehmer werdende Wohnumfeld und schließlich die Pandemie, die meinen Blick auf viele Dinge veränderte.
Eine Zeitlang hatte ich die Wohnung untervermietet, das war aus verschiedenen Gründen keine gute Lösung. Am Ende blieb nur das endgültige Loslassen, die bewusste Entscheidung, ein neues Leben zu beginnen, ohne Hintertürchen. Ich habe fast alle Möbel verkauft oder verschenkt und auch viele andere Dinge weggegeben. Das fiel mir unendlich schwer. Etliche Möbel waren Familienerbstücke, ich bin mit ihnen aufgewachsen. In meinem neuen Zuhause hat das alles keinen Platz mehr, nicht nur räumlich, auch emotional. Die Begegnungen mit den zukünftigen Besitzern waren allerdings wunderbar, manchmal fast magisch, das hat mir das Loslassen leichter gemacht und mich in dem Gefühl bestärkt, alles richtig zu machen.
Mein Umzug markiert das Ende eines großen Lebensabschnitts. Ich habe meine 30er und 40er Jahre in dieser Wohnung verbracht und die Freiheiten eines Großstadtsingles voll ausgekostet. Nie vorher war ich so unabhängig und nun werde ich es auch nicht mehr sein. Das hat mir viel bedeutet. Allerdings war es auch oft anstrengend und mühsam, alles allein entscheiden und bewältigen zu müssen.
Jetzt lebe ich in einem Haus am Waldrand und übe mich in Entschleunigung. Hier grüßt man auch Fremde auf der Straße, der Bus fährt nur einmal pro Stunde, die Nachbarn kennen sich teilweise ein Leben lang und nachts schleichen Füchse ums Haus. Ich nehme die Jahreszeiten viel bewusster wahr. Im Sommer sitzen wir bis spät abends im Garten und lauschen den Grillen. Im Winter igeln wir uns ein und hocken vorm Holzofen. Es ist ein anderes Leben. Ein neues Leben.
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